Eine Woche Sri Lanka… das Interview

Wie geht es dir? 

Gut, würde ich sagen. Ich habe gerade den Rest einer süßen Ananas verputzt, bin geduscht und liege in einem saubren Zimmer, mit großem Bett und Moskitonetz in einem Guesthouse in der Nähe von Mirissa (Süden von Sri Lanka). Wie der kommende Tag aussehen wird ist erstmal klar, Änderung inbegriffen und ich schaue auf ein paar sehr schöne Tage zurück.

Mirissa Beach

Gab es auch schon schwierige Momente für dich?

Ja und ich muss sagen leider, denn ich schäme mich etwas dafür. Die ersten drei Tage verbrachten wir in Negombo, in der Nähe des Flughafens. Kein Ort des Tourismus, mehr ein Einfalltor für ankommende und abreisende Gäste. Madeleine hatte sich leider ne ordentlichen Erkältung eingefangen (nein kein Corona, mehr so Klimaanlage und Flugstress) und so blieben wir länger. Was mir in diesen ersten Tagen in Negombo zu schaffen machte, war der viele Müll neben den Straßen, in den Büschen, den Wasserläufen, am Strand, etc. Offene Abwasserkanäle neben den Straßen und Tiere mit klaffenden Wunden, dazu war es sehr warm und ich hatte noch keine Orientierung in diesem Land, bzw21. konnte die mich umgebenden Menschen noch nicht einschätzen. Zu dieser Zeit wußte ich nicht ob ich mich hier wohlfühlen könnte, der Kontrast war groß zum meinem anerzogenen Wunsch nach Struktur, Ordnung und Hygiene. Dabei will ich mich garnicht so fühlen, ich will hier nix verändern oder den Menschen das Gefühl geben, ich wüßte was für ihr Land und Leben besser wäre. Bäh!

Und was ist dann passiert? 

Nix und doch wieder viel. Das Land zeigt sich für mich an vielen Orten in hohen Kontrasen, die mich fordern, doch was mir fehlte waren weitere Perspektiven und Dinge, die neben einem Müllproblem noch zu diesem Land gehören. Da ist zum einen ein unglaublich leckeres Essensangebot, mit unbekannten Geschmacksfarben und zum Anderen haben ich Kontakt zu den Menschen hier bekommen.

Hä, wie jetzt? Was heißt das?

Jedes Mal, wenn es hieß wir gehen Essen, dann musste ich die Straßen mit den kreuz und quer fahrenden Autos, den hupenden Bussen und Tuk Tuks entlang, durch diverse Geruchswolken und passierte Menschen, die ich nicht lesen konnte. Das erzeugte Unbehagen. Dieses Unbehagen verzog sich jedoch mit dem ersten Bissen. Wie genial die Menschen hier kochen, wie vielseitig hier ein Curry (eine große Portion Reis und dazu gibts in kleinen Schalen oder als Topping: Dahl, Rote Beete, Bohnen oder Okraschoten, Kürbiscurry, würziger Salat und Papadam) sein kann. Ein unglaubliches Spiel mit Erwartungen und Gewürzen. Nach so einem Essen, gehe ich die selbe Straße wie beim Hinweg ganz anders entlang. In dem Moment hängt meine Zunge noch der Schärfe des Essens nach und in meinem Kopf ist Begeisterung, Neugierde und Dankbarkeit, dass ich gerade hier sein kann.

Dazu gabs ein Zitat auf einer Speisekarte: “To eat is a necessity, but to eat intelligently is an art.”/  “Essen ist eine Notwendigkeit, aber intelligent zu essen ist eine Kunst.”

Und was ist mit dem Kontakt zu Menschen? Welche Perspektive ist dort dazugekommen? 

Wir wurden eingeladen, genauer gesagt zum Torte anschneiden, zum 21. Geburtstag unserer Gastgeber*in in Negombo. Alles klar, dann bis 19 Uhr. Ein wenig mulmig war uns schon unter all den Freunden und der Familie, waren wir doch die einzigen weissen Reisenden. Aus diesem Grund hatten wir den Plan nur kurz zu gratulieren, Torte zu essen und uns dann zu verkrümeln. Doch es kam anders und das war wunderbar. 

Als erstes nahm das Geburtstagskind alle Gäste mit in ihr Haus, wo sie unter „Happy Birthday to you…„ die Kerzen ausblies und dann den Kuchen anschnitt. Was dann kam fand ich spannend: Sie nahm ein Stück des Kuchens in die Hand und hielt es ihren Eltern vor den Mund die nacheinander abbissen. Dann waren Geschwister mit Familie dran und danach alle Anderen, die es noch nicht wieder in Freie geschaffte hatten. Nen bissel süß für meinen Geschmack, aber sonst ganz gut und so eine unglaubliche herzliche Geste für uns (lassen wir an der Stelle die Hygiene ausser acht ;)). Draußen setzen wir uns dann zu ein paar ihrer Schulfreund*innen und es begann ein Frage und Antwortspiel. Anfänglich noch zögerlich, aber dann fanden sich immer mehr Menschen, die Lust hatten uns unsere Fragen zu beantworten und Wahrnehmungen der letzten Tage in einen Kontext zu setzen. Wir lernten an diesem Abend so viel, über das Leben der Menschen hier, das Essen mit Händen, die Bedeutung von Religion und Familie, dass Enrique Iglesias ein Star ist und über den Ablauf des wichtigsten Geburtstagsabends eines jungen Menschen. Aber auch wir wurden ausgefragt. Sehr beliebt waren Fragen zur unserer Religion, unserem Status, warum wir nicht verheiratet seinen und wohin uns unsere Reise in Sri Lanka noch führen wird. Später am Abend sagten eine Person, dass sie sich freuen, mal mit Reisenden ins Gespräch zu kommen, die guckten wohl oft ehr grimmig und wirkten unnahbar. Wie froh wir über den Verlauf dieses Abends waren, konnten sie nicht erahnen. Es gab noch eine Freundschaftsanfrage auf Instagram, ein paar Fotos und zu guter letzt tanzten wir alle. Gegen Mitternacht verabschiedeten wir uns von unserer Gastgeber*in und gingen so aufgetankt und glücklich in unser Zimmer.

Seit diesem Abend begegnen wir überall interessierten und freundlichen Menschen. Wir lächeln die Menschen an bei unserem Spaziergängen und hin und wieder lächelt auch mal wer zurück. Ich genieße es förmlich mich mit Englisch hier überall verständlich zu machen zu können. So nutze ich jede neue Unterkunft zum Austausch mit den Menschen vor Ort und sammle Geschichten.

Was ist der bisher schönste Moment in diesem Land?

Das sind mehrere und gleichzeitig, irgendwie auch genau dieser eine. Wir sind heute fünf Stunden mit einem lokalen Bus von der Küste ins Hochland nach Ella gefahren. Diese Busse fahren mit offenen Türen und Fenstern, Menschen springen auf, Händler*innen quetschen sich durch die engen Gänge. Da saß ich also, neben mir Madeleine, und dann passiert es. Mein Kopf füllt sich mit einem Gefühl von tiefer Freude und Zufriedenheit und ich lächelte.

Immer dann, wenn die Natur an mir vorbei rauscht und mir jeder Minute neue Bilder präsentiert, dann wenn die Gerüche wechseln und das rasen des Busses sich in meiner Wahrnehmung verlangsamt dann bin ich glücklich. Es ist die Bewegung, mein eigenes Bewegen in dieser Welt, das Frei sein (fast) alles machen zu können was ich mag. Die Wärme der Luft, die alles vieles leichter erscheinen lässt und der Wind im Gesicht, erzeugen eine wunderbare Mischung aus kindlicher Neugierde auf das was kommt und vertraute darin, dass es gut werden würde. Das gleiche Gefühl hatte ich auch als wir von Colombo nach Galle mit dem Zug gefahren sind. Ich saß an der offenen Tür und die Welt raste an mir vorbei. 


Welche Fragen sollte ich noch beantworten? 

Comments

ullimanulli
Februar 3, 2020 at 10:22 am

..Und Enrique Iglesias ist ein Star in Sri Lanka… 😀
Meine einzige Frage bisher: Werdet ihr das Essen für uns nachkochen, wenn ihr mal wieder hier zwischenlandet?



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