
Rückblick – unsere Zeit im Auto
Eigentlich war mein Plan während der zwei Farmwochen einen Rückblick auf die Zeit mit Miss Jackson zu schreiben. Doch es kam alles anders und so sind wir schon mit unserem zweiten Auto (Mr. Mice) unterwegs und erleben neue Abenteuer, doch ich möchte dennoch den Versuch starten zurück zu blicken.
- Madeleine navigierte uns durch 4200km im Bundesstaat Ontario, mit einem kleinen Abstecher nach Quebec. Dabei haben wir 383CND für Benzin ausgegeben, das macht dann ca. 260 Euro
- Unser Auto hieß Miss Jackson und war ein Toyota Sienna.
- Unsere Strecke ging von Toronto nach Orilla, nach Parry Sound, Sudbury, Espanola, – ein Loop auf Manitoulin Island-, Salt Saint Marie, Wawa, Timmins, New Liskeard, North Bay, Huntsville und Algonquin Provincial Park, Collingwood, Tobermory, Collingwood, Barrie und wieder Toronto.

- Highways sind schnell, langweilig und oft nur geradeaus, jedoch verfügen sie zu Teil über eine intakte Asphaltdecke, was ich über Bundesstraßen nicht sagen kann. Ich stelle die steile Hypothese auf, dass polnische Straßen um längen besser zu befahren sind als Kanadische
- Wir haben 21 mal im Auto übernachtet; 10 mal auf Walmart-parkplätzen und 11 mal an anderen Orten.
- Zum Frühstück gab es anfangs Bluberrymuffins mit Cremecheese und im Verlauf der Reise sind wir auf Porridge mit Obst umgestiegen. Weitere Renner in unserem Einkaufskorb waren: Wasser, Milch, Chips und Kekse.
- Litern an Alkohol = zero 😉
- In der Zeit haben wir nur zwei Mal geduscht, die restlichen Male hüpften wir in unzählige Seen (einmal auch in einen Fluß)
- Unser Lieblingssee ist der Lake Huron mit der Georgian Bay
- Der kälteste See ist der Lake Superior und enttäuscht hat uns der Clear Lake (der war schlammig und voller Kraut, bäh)
- Unsere Lieblingsstädte waren Huntsville (da haben wir auch viel Zeit verbracht), wir mochten Parry Sound (trotz Zeugen Jehovas) und Collingwood
- Ich glaube niemand von uns hat in der Zeit ein Buch gelesen, dafür guckten wir einiges auf Netflix und hörten Hörbücher, sowie eine Episode aus dem Podcast Ladylike:https://www.spreeradio.de/mediathek/podcasts/ladylike-was-frauen-wirklich-wollen-id140856.html
- Dinge die wir zu lieben gelernt haben: unser Mückennetz und Anti-Bite, Instantnoodels, den Gaskocher, unsere Wanderboots + Socken, Wäscheklammern
- Dinge die ich schon vorher liebte: mein Handy, die Wimpelkette von Susi, Madeleine 🙂
- Dinge die wir ersetzen mussten: einen Kaffeebecher
- Dinge die wir bald ersetzen müssen: jeweils ne kurze Hose und einen Bikini (Ruderfett)
- ich (Anne) habe täglich im Auto was verloren, gesucht und gefunden, Madeleine hingegen, hatte die Unruhe im Kopf.
Walmart
Das Leben auf dem Walmartparkplatz (Walmart ist eine Supermarktkette, oft an den Rändern von großen Städten) war nicht immer gleich. So gab es Plätze, die von Anfang an sicher und einladend wirkten und Plätze, wo wir nur bedingt gerne waren. Bei unserem ersten Aufenthalt hat Madeleine im Markt noch angefragt, ob wir Overnight Parken dürfen, im Verlauf der Zeit haben wir uns dann nur noch dazugestellt. Immer etwas an den Rand und nie zu dicht an den großen RVs. Der Walmartparkplatz in Salt Ste Marie war übelst dreckig und ausladend, doch im Markt gab es warmen Hot Dogs für 0,35CAD und eine große Auslage frischer Bagels. Kein anderer Walmart hatte dieses Angebot ;(. Im selben Ort hatten wir unsere erste Regennacht (von insgesamt zwei). Wir sind mit unseren Zahnbürsten in den Markt, haben uns bettfertig gemacht, schlenderten noch etwas herum und bei verlassen des Marktes brach der Himmel über uns zusammen. Irgendwie wars dadurch auch gleich wieder eine kleines Abenteuer, mit dem Regen auf unserem Autodach. Der Walmart in Collingwood war für uns so angenehm, dass wir gleich zwei Nächte dort verbracht haben. Zum einen weil der Markt sehr ruhig lag, mal keine lauten Straßen in unmittelbarer Nähe, und zum anderen, weil Collingwood einen wunderschönen Strand an der Georgian Bay hat. Die letzte Nacht wollten wir auf einem Walmart in Toronto verbringen, doch die Ausschilderung wünschte etwas anderes und auch sonst war dieser Markt mehr als unschön und schmuddelig. Die Waschräume im hinteren Teil des Supermarktes wurden zu unseren Badezimmern, mal mit mehr und auch mal weniger Komfort und Sauberkeit. Die Schuhabteilung nutzte ich gern fürs Telefonieren mit den Eltern und auch sonst haben wir die meisten Instagram Posts zwischen Fertigsoßen und Windeln abgeschickt. Walmart war immer – bis auf die letzte Nacht in Toronto – immer eine sichere Bank. Wir fühlten und dort sicher, hatten Zugang zu Waschräumen, Internet und Essen. Es war nie ein aufwachen mit Ausblick, besonders ruhig oder gemütlich aber für die innere Ruhe waren dieser Ort für uns oft ganz wichtig.
Freistehen
Unser erstes Mal freistehen war am Clear Lake in Espanola. Ein kleiner See an einer Straße, mit Strand, Spielplatz, Dixi und einem Parkplatz ohne Schilder, die uns das Übernachten untersagten. Ganz zwei Nächte verbrachten wir dort. Das erste Mal war das Beste, denn wir haben Georg und Helmut (ein grauer VW T4) kennengelernt. Auch Georg und Helmut sind auf Weltreise, was viel Stoff für Austausch mit sich brachte. Ein schöner Abend mit Tee und Bier am Strand, nur die Erkenntnis, dass unsere Anti-Mückenleggings bei Madeleine nicht halfen, nahmen hier die Streusel vom Kuchen. Das Gespräch brachte viel Fragen und Erkenntnis mit sich, so z.B. das ich unglaubliches Glück habe, einen Menschen gefunden zu haben, die diese Reise mit mir machen mag. Und nicht nur das, auch das Sie es sich leisten will, in dieser Art des Reisen mitgeht und und und. Wir sprachen über die guten und die schlechten Menschen und darüber, das unser Fokus zu oft auf den schlechten Erfahrungen mit ihnen liegt. Wir sind übereingekommen, das es besser ist auf das Positive zu hoffen, es zu sehen und auf die Bühne des Lebens zu stellen. Jede Begegnung ist eine Herausforderung, sie bringt jedoch auch Erkenntnisse und Erfahrungen und viel öfter auch die gute Geschichten. Von Georg haben wir dann auch die Tipp von der Freistehplattform I-Overlander bekommen.
Und am Ende bleibt immer die Geschichte.
Die kälteste Nacht haben wir am Sandy Beach in der Nähe von Wawa verbracht. Ein schöner Ort nur sehr sehr kalt und leider auch mit etwas Zwist zwischen uns belegt. Na ja, kommt vor. 🙂 In Huntsville haben wir insgesamt vier Nächte verbracht. Eine auf dem Walli – das war weniger schön – und drei Nächte auf dem Parkplatz vom Hutcheson Beach. Es war einfach nur herrlich dort; morgens als erstes Baden gehen, die Ruhe, wir fühlten uns sicher und konnten so die Umgebung erkunden und vor allem kam nach ein paar Tagen auch sowas wir Routine auf, die wir sehr genießen konnten. Wir waren zwei Tage im Algonquin, auf einen Straßenfest und in einem Tim Hortons mit Ausblick.
In der Zeit mit Miss Jackson waren wir diverse Male bei Tim Hortons. Manchmal nur kurz zum Versenden und Empfangen von Nachrichten, oft aber auch mehrere Stunden am Stück zum Schreiben des Blogs, planen der Route oder für Klogänge. Diese Kette ist gefühlt verbreiteter als Mc D und scheint zu jeder Tageszeit (24h) seine Kund*innen zu finden. Uns sagte das Essen garnicht so sehr zu, gerade mal der süße Eiskaffee oder die anfängliche Faszination anderen süßer Getränke. Hortons ist für uns ein Mittel zum Zweck, aber leider auch die Verwahrlosung von gutem Essen und eine Umweltsünde.
Die herausfordernste Nacht war entfernt von der Zivilisation (ja auch ohne Hortons), im Gebiet einer First Nation an einem alten Leuchtturm an der Georgian Bay. Schon die Anfahrt machte wenig Spaß, was an den sehr langen Schotterstraße, den Einschusslöchern in den Straßenschildern und – ja den Punkt gilt es zu reflektieren – der Verwahrlosung des letzten Dorfes lag. Wir waren allein mitten in der Natur, ohne Licht und mit allen Bildern in unserem Kopf. Gegen 23 Uhr kam dann ein Auto, erleuchtete den Platz, hielt kurz und fuhr dann wieder weg. Die Bilder im Kopf wurden lauter und so übertrug sich Madeleines Unbehagen langsam auch auf mich, so dass ich die ganze Nacht in Klamotten schlief und Madeleine sich noch sehr lange in die Nacht hinein mit Lichtern am Horizont unwohl wach hielt. Der nächste Morgen begann für mich um 6 Uhr mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Gegen 8Uhr war der Platz lichtdurchflutet, warm, alles zirpte um uns herum und die Wellen schlugen an den Strand. Ein Traum von einem Freistehort. Dann kam ein Hündin ohne Halsband vorbei und ging wieder. Egal wie schön der Ort war, wir fanden keine Ruhe und machten uns nach dem Frühstück wieder auf den Weg. Und zu allem Übel habe ich an diesem Ort meine Seifendose stehen lassen. Damn it!
Wie schon angedeutet hatten wir unseren letzen Abend für Toronto geplant, damit wir das Auto früh zurückgeben konnten. Nachdem der Walmart keine Option mehr für uns war, habe wir beschloßen auf dem Parkplatz von Avis, unserer Autovermietung, zu nächtigen. Mitten in der lauten Stadt, auf diesem schmuddeligen kleinen Platz. Wir stellten den Wecker auf 6.30Uhr und machten uns nach dem Wachwerden im Berufsverkehr von Toronto auf die Suche nach einem Supermarkt in der Nähe für den Umbau des Autos. Madeleine konnte die Nacht gut schlafen, doch mich plagte der Lärm sowie das Wissen nach fast vier Wochen mal wieder von einem Wecker erschreckt zu werden.
Die Zeit im Auto war neben dem Ankommen in Kanada und unserer Reise auch ein Ankommen in der Beziehung und der Nähe zwischen uns. Nach zwei Jahren Fernbeziehung mit eigenem Rhythmus und Freundeskreis, war nun der Radius der externen Interaktionen sehr eingeschränkt. Spot on us. Es war nicht immer einfach, für keine von uns, doch ich denke wir haben immer wieder Wege gefunden uns auf Kurs zu bringen. Oft waren auch Aktionen im Aussen, die sogenannte Irritation, die uns wieder zusammenbrachten. Einmal stand während einer längeren Schweigephase ein Elch neben der Straße, ein anderes Mal waren ein schmuddeliger Walmart ein Grund wieder in Kontakt zu kommen. Auch die bevorstehende Rücken-OP meines Vaters war sehr lange ein Thema, das uns begleitete. Wäre bei dem Eingriff etwas anders Verlaufen als geplant, wäre unsere Reise an dieser Stelle auf jeden Fall vorerst zu Ende gewesen. Spannend war auch die Erkenntnis, dass wir in der Zeit mehr mit unseren Eltern kommuniziert haben, als zuvor. Anders als erwartet habe ich wenig Zeit gefunden unseren Blog zu füttern, auch die Kommunikation mit Freund*innen kam, nach meinem Empfinden zu kurz. Das Leben im Auto verlangsamt alles. Frühstücken ist ein geplanter Ablauf von Handlungen (Kaffee, Porridge, Essen, Abwaschen, bremssicher Verstauen) der seine Zeit kostet. Teilweise verbrachten wir viele Stunden mit Umherfahren und aus dem Fenster gucken, gingen Wandern oder Anne spiele Candy Crush, während Madeleine das Gesehene im Schlafsack reflektierte. Es gab in der Zeit wenige Moment der Ruhe, die wir in Wifi- Zonen verbracht haben und ganz ehrlich mir fehlte oft ein Tisch bzw. das Ambiente zum Denken und Schreiben. Die Abende hatten ähnliche Routinen und verliefen sich oft in Gemeinsamkeiten, wie Netflix oder Mückenjagd.
Das Leben im Auto bringt eine große Sicherheit in sich. Wir hatten immer alles bei uns und konnten jeder Zeit ein Nickerchen machen, bzw. den Kurs wechseln und in die Sonne fahren. Jedoch isolierte es uns auch von den Menschen hier. Wir sind in den drei Wochen nur sehr selten mit andere Menschen (Einheimischen) ins Gespräch gekommen. Es war mehr eine Zeit der Beobachtung und Analyse aus der Ferne, als das Überprüfen von Hypothesen. Diesen Part hatten wir uns für die danach kommenden Zeit vorgenommen.
Am 25.07.2019 haben wir Miss Jackson wieder abgegeben und mit ihr unseren Teppich, den wir noch sehr vermissen sollten.
Comments
Recht vielen Dank für den hilfreichen Post!
Sehr cooler Blog.